Bundestagswahl Politiktalk mit Abgeordneten des Deutschen Bundestags 20.05.2021

Wie können BBW bei der digitalen Transformation unterstützt werden? Warum wird das Budget für Ausbildung nicht ausgeweitet? Warum können BBW nicht flächendeckend Pflegefachkräfte dual auszubilden? Diese und weitere Fragen standen beim Politiktalk der BAG BBW mit führenden Parteivertretern am 18. Mai in Berlin im Mittelpunkt.

Das Event fand unter Wahrung der Hygiene- und Abstandsregeln im ChangeHub in Berlin statt. Nicht alle Gäste waren vor Ort, sondern zum Teil über Video live zugeschaltet. Moderiert wurde die Veranstaltung von ARD Hauptstadtkorrespondentin Kerstin Palzer, die gemeinsam mit Tobias Schmidt, Vorstandsvorsitzender der BAG BBW, die Zuschauer begrüßte. Schmidt machte in seiner Begrüßung deutlich, wie wichtig die Arbeit der Berufsbildungswerke ist. 51 Berufsbildungswerken in ganz Deutschland würden aktuell 15.000 jungen Menschen mit Behinderungen auf ihr Berufsleben vorbereiten. Wichtig sei dabei der hohe Praxisbezug, um die Teilnehmenden gut auf den 1. Arbeitsmarkt vorzubereiten: „20 % der Ausbildung finden verzahnt mit Betrieben statt“, so Schmidt. Er unterstrich zugleich, wie sehr BBW in der Corona-Pandemie den Jugendlichen vom ersten Lockdown an Halt und Struktur gegeben und gleichzeitig schnell auf neue digitale Ausbildungsformate umgestellt haben. Die Corona-Pandemie habe aber auch gezeigt, dass die Politik tätig werden muss, damit die BBW-Ausbildung an die Anforderungen von Arbeit 4.0 angepasst werden kann. Sie müsse zudem die Rahmenbedingungen schaffen, um viel mehr junge Menschen mit Behinderungen oder Jugendliche, die von der Gesellschaft angehängt sind, ein berufliches Angebot im BBW zu machen. Das Angebot der BBW dürfe auch in Zeiten knapper Haushalte nicht infrage gestellt werden.

Im Wahljahr 2021 hat die BAG BBW ihre Forderungen in 5 Wahlprüfsteinen formuliert und will sie bei politischen Entscheidungsträgern, Institutionen sowie öffentlich diskutieren. „Deshalb sind wir auch heute hier. Wir wollen mit Politikern ins Gespräch kommen und unsere Themen platzieren“, so Schmidt.

Lobende Worte für die Arbeit der Berufsbildungswerke fand in seinem Videogrußwort Bundesarbeitsminister Hubertus Heil. "Berufsbildungswerke haben einen wichtigen Anteil daran, dass wir im vergangenen Jahr eine Krise auf dem Ausbildungsmarkt verhindern konnten".

Nach dem Grußwort von Hubertus Heil ging es direkt in die 5 Themen-Blöcke. Moderiert von Kerstin Palzer diskutierte dabei ein Mitglied aus dem Vorstand der BAG BBW mit einer/m Fachpolitiker/in jeweils eine Kernforderung der BAG BBW zur Bundestagswahl. Jeder Block startete mit einem kurzen Einspieler, in dem Teilnehmer*innen aus einem BBW mit persönlichen Statements zum jeweiligen Thema zu Wort kamen.

Das Engagement der Berufsbildungswerke hat mich sehr beeindruckt.
Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales

Mehr berufliche Teilhabe ermöglichen

Wie kann mehr Jungen Menschen mit Teilhabeeinschränkungen die Ausbildung in einem BBW ermöglicht werden? Diese Frage diskutierten Michael Breitsameter, Mitglied des Vorstands der BAG BBW, und Wilfried Oellers MdB, Behindertenbeauftragter der CDU/CSU-Fraktion. Breitsameter machte deutlich, dass Berufsbildungswerke mit ihren dualen Ausbildungsangeboten in Kombination mit Internaten und medizinisch-psychologischen Fachdiensten einen optimalen 360-Grad-Ansatz für Jugendliche bereithalten. „Es ist daher unverständlich, dass die Politik die geschaffen Strukturen nicht nutzt“. Wilfried Oellers machte deutlich, wie wichtig die Arbeit der BBW sei und dass die Ressourcen und Kompetenzen zur Qualifizierung von Fachkräften noch stärker für weitere Zielgruppen genutzt werden müssen. Er betonte, dass die Systeme durchlässiger werden müssten, in mehrere Richtungen. Wenn Jugendliche mit erheblichem Förderbedarf frühzeitig eine passgenaue Unterstützung brauchten, dann müssten sie diese auch bekommen.

Digitale Transformation in BBW fördern

Samuel Breisacher, stellv. Vorsitzender der BAG BBW, und Dr. Jens Brandenburg MdB, Sprecher für Studium, berufliche Bildung und lebenslanges Lernen der FDP-Fraktion, diskutierten, wie die digitale Transformation in den Berufsbildungswerken gefördert werden kann. Breisacher machte deutlich, dass es zwar einen Digitalpakt für Schulen, aber keinen Digitalpakt für die berufliche Bildung gebe: „BBW kommen in keinem Programm vor und sollen aber gleichzeitig für ihre Auszubildenden innovative, digitale Lernformate auf den Weg bringen.“ Jens Brandenburg betonte, dass das Thema Digitalisierung in alle Bildungseinrichtungen gehöre: „Wenn wir junge Menschen auf ein selbstbestimmtes Leben vorbereiten wollen, dann müssen wir Digitalisierung in allen Bildungseinrichtungen ermöglichen, auch in der der außenschulischen Ausbildung“.

Beide Gesprächspartner waren sich einig, dass das Thema Digitalisierung nicht nur die Ausstattung mit moderner Technik und stabilen Netzwerk-Leitungen umfasse, sondern auch die Vermittlung von digitalen Kompetenzen sowie gut qualifiziertes Personal.

Pflegenotstand bekämpfen - mit BBW

Der Fachkräftemangel im Bereich Pflege ist bekannt und das Wort „Pflegenotstand“ in aller Munde. „Warum machen wir es jungen Menschen mit Lerneinschränkungen trotz Pflegenotstand immer noch so schwer, einen Beruf in der Pflege zu erlernen?“ Mit dieser Frage wandte sich Judith Freund, Mitglied des Vorstands der BAG, an Dr. Birke Bull-Bischoff MdB, Sprecherin Enquete-Kommission „Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt“ Fraktion DIE LINKE. Bull-Bischoff machte dabei deutlich, dass sie die Forderung der BAG BBW nach einer flächendeckenden Qualifizierung unterstützt: „Wir brauchen gut ausgebildete Pflegefachkräfte. Die Standards der dualen Ausbildung, Teilhaberechte und Mindestvergütung müssen auch für schulische Ausbildungen gelten, unabhängig vom Ausbildungsort.“

BBW als Rückgrat der beruflichen Rehabilitation

BBW haben sich in der Corona-Krise als verlässliche Ausbildungspartner bewiesen und sich als Rückgrat der beruflichen Rehabilitation junger Menschen mit Behinderung bewiesen. Wird diese Leistung der Berufsbildungswerke von der Politik überhaupt gesehen? Unterstützt die Politik die BBW darin, ihr bundesweit flächendeckendes Angebot auch in Zeiten von knappen Haushalten und abschmelzenden Budgets der BA zu erhalten und die vorhandenen Plätze zu sichern? Walter Krug, stellv. Vorsitzender der BAG BBW, diskutierte mit Yasmin Fahimi MdB, SPD, Sprecherin Enquete-Kommission „Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt“, diese Fragen und wie die Qualität in den Berufsbildungswerken weiter gesichert werden kann. Fahimi ließ dabei keinen Zweifel daran, wie sehr sie die Arbeit der BBW schätzt: "Arbeit ermöglicht Teilhabe und ein selbstbestimmtes Leben. Dafür legen BBW als Ausbilder für junge Menschen mit Behinderungen den Grundstein. Dafür brauchen sie Planungssicherheit.“

Budget für Ausbildung inklusiv weiterentwickeln

Ein Budget für Ausbildung ist wirkungslos, wenn es nicht auch jungen Menschen mit Behinderung zur Verfügung steht, die eine Berufsorientierung in einem BBW anstreben. Warum also wird es nicht ausgeweitet?

Tobias Schmidt, Vorsitzender der BAG BBW, konnte diese Frage leider nicht mit Corinna Rüffer MdB, Behindertenpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, diskutieren. Diese konnte  aufgrund technischer Probleme nicht dazu geschaltet werden. In einem kurzen Appell forderte Schmidt die Bundesregierung auf, ein „Budget für Bildung“ zu schaffen, um spürbar mehr Teilhabe am Arbeitsleben für Menschen mit Beeinträchtigungen zu erreichen

Im Verlauf der Diskussionen zeichneten sich eine Reihe gemeinsamer Positionen ab. Einig war man sich vor allem darin, dass Berufsbildungswerke ein wichtiger Baustein im inklusiven Ausbildungssystem und eine tragende Säule der beruflichen Rehabilitation von jungen Menschen mit Behinderung sind.

Politiktalk auf You Tube

Die Veranstaltung wurde im Livestream übertragen und von Schrift- und Gebärdendolmetscherinnen begleitet. Die Video-Aufzeichnung der Veranstaltung können Sie hier anschauen:

Bildnachweis

Für die Fotos in der Bildergalerie: © BAG BBW |  Melanie Wehnert (Fotografin)

Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2021