Die Arbeit der Berufsbildungswerke zeigt sich im Erfolg und in der Entwicklung junger Menschen – in ihren persönlichen und beruflichen Geschichten. Was sie während ihrer Zeit im Berufsbildungswerk erlebt und gelernt haben, berichten sie hier selbst.

Leonie Zimmermann

ist 18 Jahre alt und stammt aus einer handwerklich geprägten Familie. Schon früh stand für sie fest, dass sie ebenfalls einen beruflichen Weg im handwerklichen Bereich einschlagen möchte. Als sie die Zusage für die Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme (BvB) im Kolping-Berufsbildungswerk in Hettstedt erhielt, war die Freude groß – nicht zuletzt, weil auch ihre Schwester dort erfolgreich eine Ausbildung im Holzbereich absolviert hat und in ihrem Beruf sehr glücklich ist.

Die Corona-Pandemie stellte Leonie vor große Herausforderungen. Besonders das Home-Schooling belastete sie stark, wodurch sie sich zunehmend zurückzog. In dieser Zeit entwickelten sich Ängste im Umgang mit Menschen und neuen Situationen, was letztlich dazu führte, dass sie ihren Schulabschluss nicht erreichen konnte.

Im Rahmen der BvB hatte Leonie die Möglichkeit, verschiedene handwerkliche Bereiche kennenzulernen. Schnell entdeckte sie ihre Begeisterung für den Metallbereich, der ihr Herz eroberte. Dort sammelte sie erste praktische Erfahrungen und wichtige Kenntnisse, die ihr den Einstieg in eine Ausbildung im Sommer 2025 ermöglichen sollen.

Mein Ausbilder hat mir gezeigt, wozu ich fähig bin und dass ich den Jungs in nichts nachstehe!

Leonie Zimmermannausgebildet im BBW Hettstedt

Trotz der Tatsache, dass der Metallbereich traditionell von Männern dominiert wird, ließ sich Leonie nicht entmutigen. Mit großem Engagement und Selbstbewusstsein arbeitete sie sich in ihrer Ausbildungsgruppe zu einer geschätzten Teilnehmerin hoch. Besonders stolz ist sie auf ihre präzisen Schweißarbeiten und ihren sicheren Umgang mit dem Plasmabrenner – Fähigkeiten, für die ein hohes Maß an Feingefühl erforderlich ist.

Durch die Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme konnte Leonie nicht nur ihre fachlichen Kompetenzen erweitern, sondern auch ihr Selbstbewusstsein stärken. Sie hat gelernt, über ihren eigenen Schatten zu springen und verfolgt nun mit viel Ehrgeiz und klaren Zielen ihren weiteren beruflichen Weg.

Matthias Schütze

arbeitet als Ausbilder für Polster- und Dekorationsnäher im Ausbildungsbereich Textiltechnik des Berufsbildungswerkes Bethel. Dabei ist es noch nicht lange her, dass er selbst an einem dieser Plätze lernte. Und dies, obwohl Nähen früher nicht zu seinen Leidenschaften zählte. Erst im Berufsbildungswerk Bethel wurde das Feuer dafür entfacht.

Im Alter von 15 Jahren wurde bei Matthias Schütze eine Epilepsie diagnostiziert. Aufgrund dieser Erkrankung konnte er seinen ursprünglich gelernten Beruf als Ergotherapeut nicht mehr ausüben. Im Jahr 2015 unterzog er sich einer epilepsiechirurgischen Operation im Fachkrankenhaus Mara in Bielefeld-Bethel. Seitdem ist er weitestgehend anfallsfrei. In seinen alten Beruf zurückkehren wollte er aufgrund der körperlichen Belastung dennoch nicht.

Über den Sozialdienst des Fachkrankenhauses entsteht der Kontakt zum Berufsbildungswerk, die beide dem Epilepsiezentrum Bethel angehören. 2017 macht Matthias Schütze zunächst eine Arbeitserprobung im Ausbildungsbereich Textiltechnik des BBW. Bereits nach kurzer Zeit stellt er fest, dass ihm die kreative Arbeit und das Nähen großen Spaß machen. Kurzerhand erkundigt er sich nach einer möglichen Ausbildung.

Im Dezember 2018 hat Matthias Schütze seinen Abschluss zum Polster- und Dekorationsnäher in der Tasche. Während dieser Ausbildung absolviert er verschiedene Praktika, unter anderem bei den Bielefelder Werkstätten, die zum Bielefelder Textilverlag JAB Anstoetz gehören. Dort bekommt er ein Jobangebot direkt nach seiner Ausbildung. Inzwischen ist er nur noch einmal in der Woche bei JAB Anstoetz tätig und übernimmt dort die wichtige Funktion der Schwerbehindertenvertretung.

„Im Berufsbildungswerk Bethel habe ich meine berufliche Bestimmung gefunden. Heute bin ich selbst Ausbilder und liebe meinen Job.“

Matthias SchützeAusbilder im BBW Bethel

Denn seinen größten beruflichen Wunsch konnte Matthias Schütze beim BBW Bethel verwirklichen. Weil ihn seine Ausbilderinnen dort nachhaltig beeindruckt hatten, ist er seit Oktober 2023 selbst als Ausbilder im Einsatz. „Man hat mir hier in Bethel so oft und viel geholfen in meinem Leben. Darum wollte ich unbedingt auch im sozialen Bereich arbeiten und auf diesem Weg etwas zurückzugeben.“

Etwas zu lehren und dabei auch noch selbst die Tätigkeit ausüben zu können, die er lieben gelernt hat, macht Matthias Schütze Riesenspaß. Das Feuer, das einst bei ihm für diesen Beruf entfacht wurde, möchte er nun auch bei den jungen Azubis entzünden. Dabei ist die unglaubliche Vielfalt an Stoffen genau so spannend wir die vielen verschiedenen Dinge, die man aus ihnen herstellen kann. Mit Ausnahme von Kleidungsstücken lernen die Auszubildenden alles zu nähen, was man im alltäglichen Leben benötigt, zum Beispiel Polsterbezüge für Kissen, Sofas oder Nackenrollen, aber auch Decken, Vorhänge und Gardinen. Der eigenen Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt.

Und was man beruflich lernt, kann man natürlich auch privat nutzen. Er selbst sei da keine Ausnahme. „Vor allem meine Mutter und meine Oma freuen sich über so einiges Genähtes von mir. Meine Oma hat stolz ein Kissen aus meiner Arbeitserprobung auf ihr Sofa dekoriert. ‚Home sweet home‘ steht darauf.“

Adrian Jablonka

lebt mit Zerebralparese und sitzt im Rollstuhl. Er kann nicht laufen, ist von Spastiken betroffen, schreibt lieber auf einer Tatstatur anstatt mit einem Stift auf Papier. Er hat die Erfahrungen gemacht, dass er offen mit seiner Erkrankung umgehen und auf Menschen zugehen muss, damit Berührungsängste gar nicht erst entstehen. In seiner regulären Schule war er voll integriert, er ließ niemals zu, dass er als der behinderte Junge wahrgenommen wurde. Alle diese positiven Erfahrungen haben ihren Anteil daran, dass Adrian Jablonka kein bisschen daran zweifelt, all das leisten zu können, was Gleichaltrige leisten können, die nicht auf den Rollstuhl angewiesen sind. „Mit einer guten Ausbildung stehen mir alle Türen offen, da bin ich ganz sicher.“
Sehr wohl war ihm nach seinem Realschulabschluss aber bewusst, dass die Suche nach einem Ausbildungsplatz erst einmal schwer werden würde. Zu viele Vorurteile gäbe es in Unternehmen, immer noch zu wenige barrierefreie Arbeitsplätze. „Ohne einen anerkannten Abschluss wollte ich den Kampf noch nicht führen, mich beweisen zu müssen. Ich wollte erst etwas vorweisen können. Ich suchte einen Ausbildungsplatz, an dem Barrierefreiheit kein Thema ist.“

Ich will’s allein schaffen

Adrian Jablonka Ausbildung im BBW Dresden
Von Weißenfels bei Leipzig zieht Adrian Jablonka auf dem Campus des SRH Berufsbildungswerkes Dresden. Nach einer Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme startet er 2020 seine Ausbildung zum Fachpraktiker für Büromanagement. Als einer der besten hat er abgeschlossen, sattelt er nochmal drauf und absolviert nach der theoriereduzierten Ausbildung zum Fachpraktiker jetzt die Vollausbildung zum Kaufmann für Büromanagement. „Was will ich mehr: Das ist fachlich genau mein Ding und die Bedingungen stimmen. Wir lernen in kleinen Gruppen, unterstützen uns gegenseitig. Unsere Ausbilderinnen und Ausbilder sind für uns da, wenn’s mal Probleme gibt.“
Das Gelernte wendet er in Praktika direkt an. Je größer das Unternehmen, desto besser: Seine Bedürfnisse werden meist problemlos berücksichtigt, die fachlichen Anforderungen sind anspruchsvoll. „Im Praktikum kann ich zeigen, was ich draufhabe.“ Im Unternehmen seiner Mutter treibt Adrian Jablonka die Digitalisierung voran. Womöglich steigt er nach seinem Abschluss mit ein.
Auf dem Campus des SRH Berufsbildungswerkes Dresden ist Azubi Adrian Jablonka ein bekanntes Gesicht. Immer gut drauf, immer einen Spruch auf den Lippen. Sein Rolli ist hier kein Problem. Berufsschule und Physiotherapie erreicht er auf kurzem Weg. Im Wohnheim lebt hier mit Menschen zusammen, die Freunde geworden sind. Adrian Jablonka mag das, er fühlte sich von Beginn an heimisch. Wenn es nötig ist, kann er auch die Mitarbeitenden des Pflegedienstes des Berufsbildungswerkes Dresden zu jeder Tag- und Nachtzeit um Hilfe bitten. „Es ist gut zu wissen, dass es diese Unterstützung zum Gesamtpaket hier gehört. Aber ich nehme sie nur im Notfall in Anspruch. Ich möchte das allein packen, Wohnen, Leben, Arbeiten. Und ich werde das auch.“

Marcel Himstedt

Kurz vor dem Abschluss seiner Tischlerausbildung im dritten Lehrjahr steht Marcel Himstedt – ein Meilenstein für den bald 24-Jährigen. Nach mehreren Versuchen auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, fand Marcel schließlich über das Arbeitsamt den Weg in das Berufsbildungswerk im Oberlinhaus in Potsdam. Dort nutzte er die Chancen des geschützten Rahmens und des an seine Einschränkung angepassten Pensums, um seine Fähigkeiten im Tischlerhandwerk weiterzuentwickeln.
Anfänglichen Herausforderungen forderten seine Geduld und Durchhaltevermögen.

Immer dranbleiben, nicht aufgeben

Marcel Himstedt Ausbildung im BBW Potsdam

Doch gerade in diesen Herausforderungen fand er seine Stärke. Seine Motivation schöpft er nicht nur aus der Freude an der Arbeit mit Holz – ein Werkstoff, der ihn durch seine Lebendigkeit fasziniert – sondern auch aus einer langen Familientradition: Bereits sein Urgroßvater war Tischler.

Marcel schätzt besonders die Unterstützung im BBW. Psychologische Betreuung, kleine Klassen und ein selbst strukturierter Alltag in der Verselbstständigungs-Wohnform ganz in der Nähe vom Berufsbildungswerk halfen ihm, seine persönliche Entwicklung voranzutreiben. Nachdem er vor seiner Zeit im BBW schwierige Phasen durchlebte, lernte er es besonders zu schätzen „im BBW immer einen Rückhalt durch die Betreuer und Sozialpädagogen gehabt zu haben.“

Heute blickt Marcel auf eine Zeit zurück, in der er nicht nur ein Handwerk erlernt hat, sondern auch erkennt: „Ich mache das wirklich nur für mich.“ Darüber hinaus betont er, dass er nach einer rebellischen Jugend im BBW die Chance hatte, eigenständig erwachsen zu werden.

Philine Sturm

ist 23 Jahre alt und aus Halle. Sie hat ihre Leidenschaft für Fußball und Farbtechnik erfolgreich kombiniert. Ihr Weg zum Erfolg führte sie über das Berufsbildungswerk Leipzig, das für sie eine wichtige Rolle spielte. Auf ihrer Schule, dem Landesbildungszentrum für Hörgeschädigte „Albert Klotz“, hatte sie vom BBW Leipzig und seiner Spezialisierung auf Hören, Sprache und Kommunikation gehört. Philine ist schwerhörig und trägt Hörgeräte. Ein Ausflug mit den Eltern auf den Campus nach Knauthain konnte überzeugen.

Ohne das Berufsbildungswerk wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin

Philine Sturm ausgebildet im BBW Leipzig

2018 begann sie dort mit einer Berufsvorbereitenden Maßnahme und testete zunächst den Bereich Zahntechnik. Nach einem Praktikum entschied sie sich jedoch für die Farbtechnik. 2019 startete sie ihre Ausbildung zur Malerin und Lackiererin. Sie zog in eine Außenwohnung des Internats und verbesserte ihre Sprachfähigkeiten.
Unterstützt durch logopädische Hilfe wuchs ihr Wortschatz, und sie konnte problemlos mit hörenden und gehörlosen Freunden kommunizieren. Eine Entwicklung, die ihr auch schulisch und beruflich enorm weiterhalf. Die Pandemie stellte sie vor Herausforderungen, besonders die Prüfungsangst vor der Zwischenprüfung. Dank der Unterstützung ihrer Lehrkräfte und Case Managerin überwand sie die Hürde. 2022 schloss sie ihre Ausbildung erfolgreich ab. Heute arbeitet Philine als Malerin in einer Renovierungsfirma und ist zudem als Prüferin für die Handwerkskammer zu Leipzig tätig. Mit 21 Jahren wurde sie eine der jüngsten Prüferinnen der Kammer. Fußball ist ihre große Leidenschaft. Seit ihrem dritten Lebensjahr spielt sie und wurde 2014 in die deutsche gehörlose Frauen-Nationalmannschaft im Futsal berufen. Philine plant, irgendwann in den Fachbereich zurückzukehren – dann jedoch als Ausbilderin im BBW. Die Bewerbung ist bereits raus.

Tobias Müller

Selbstständigkeit und Unabhängigkeit sind für Tobias Müller wichtig. Dazu gehört eigenes Geld zu verdienen und das Leben selbstständig organisieren zu können. All das hat der Kaufmann für Büromanagement im Berufsbildungswerk Timmendorfer Strand gelernt.

Seine Ausbildung hat Tobias Müller im Bugenhagen Berufsbildungswerk Timmendorfer Strand gemacht und im Frühjahr 2024 erfolgreich abgeschlossen. Dieser Erfolg war für ihn nicht selbstverständlich. Seit seiner Geburt ist der Lübecker halbseitig gelähmt, Hör- und Sehvermögen sind eingeschränkt. In seiner früheren Förderschule trauten ihm die Lehrer keinen Job auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu, sie empfahlen den Wechsel in eine Werkstatt für behinderte Menschen.

Das Berufsbildungswerk hat mir neue Türen geöffnet. Durchgegangen bin ich alleine.

Tobias Müllerausgebildet im BBW Timmendorfer Strand

Doch Tobias Müller wollte seinen eigenen Weg gehen und hat erst den Hauptschulabschluss und danach den Realschulabschluss gemacht. Anschließend hat ihm die Bundesagentur für Arbeit eine Ausbildung im BBW Timmendorfer Strand vorgeschlagen. Nach der Berufsvorbereitung kannte er seine Stärken und in welchem Beruf er diese gut einsetzen kann. Er entschied sich für eine Fachpraktikerausbildung im kaufmännischen Bereich. Ihm gelang der Wechsel in die Vollausbildung, die er ebenfalls erfolgreich abschloss.

Es brauchte nicht viele Bewerbungen bis der frisch gebackene Kaufmann für Büromanagement auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seinen ersten Job antreten konnte. Tobias Müller arbeitet heute bei der IHK in Lübeck und ist dort Kundenbetreuer. In seinem neuen Team und mit seinen Aufgaben fühlt er sich wohl. „Ich bin mit meinem Weg sehr zufrieden. Das Berufsbildungswerk hat mir neue Türen geöffnet. Durchgegangen bin ich alleine.“